Innovationen bei Alzheimer
Schlüssel weg? Termin vergessen? Und wie war noch gleich der Name der Nachbarn? Solche Situationen kennen die allermeisten. Nicht hinter jeder Vergesslichkeit verbirgt sich eine Erkrankung. Aber der Gedanke, dass es sich möglicherweise um Demenz, genauer gesagt um Alzheimer, handeln könnte, mag beängstigend sein. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. sind in Deutschland derzeit etwa 1,8 Millionen Menschen an Demenz erkrankt. Die weit verbreitete Alzheimer-Krankheit stellt hierbei die häufigste Ursache dar. Aufgrund des demografischen Wandels wird erwartet, dass die Zahl der Betroffenen bis 2050 auf etwa 2,8 Millionen ansteigt.

Symbolbild für Alzheimer-Demenz.
Adobe Stock © Robert Kneschke
In unserem TOP THEMA möchten wir auf die Besonderheiten der Alzheimer-Erkrankung eingehen – von den ersten Anzeichen über die Diagnose bis hin zu aktuellen Forschungsergebnissen und innovativen Therapieansätzen. Unser Ziel ist es, das Bewusstsein für die Krankheit zu stärken und betroffenen Menschen sowie ihren Familien wertvolle Informationen und Unterstützung zu bieten.
Transkranielle Pulswellenstimulation (TPS) in der Alzheimer-Therapie
Die Transkranielle Pulswellenstimulation (TPS) ist ein innovatives, nicht-invasives Neuromodulationsverfahren, das seit einigen Jahren als eine zusätzliche Option in der Behandlung der Alzheimer-Krankheit erforscht wird. Ziel dieser Methode ist es, durch eine gezielte mechanische Stimulation des Gehirns die Nervenzellaktivität zu fördern und potenziell neurodegenerative Prozesse zu verlangsamen. Obwohl erste Ergebnisse vielversprechend erscheinen, befindet sich das Verfahren noch in der klinischen Probephase, so dass die heute verfügbare Evidenz zum Nutzen dieses Verfahrens noch vergleichsweise gering ist. So gibt es bislang keine umfassenden medizinischen Studien, die eine klare Wirksamkeit und einen langfristigen Nutzen belegen.
Daher ist die TPS keine Kassenleistung, sondern eine Selbstzahler-Therapie, die nur von qualifizierten Fachleuten mit Expertise in der Alzheimer-Therapie durchgeführt werden sollte – idealerweise im Rahmen von klinischen Studien.
Wie funktioniert die Transkranielle Pulswellenstimulation (TPS)?
Die TPS basiert auf der Anwendung von fokussierten Stoßwellen geringer Intensität, die durch den Schädel hindurch gezielt bestimmte Hirnareale erreichen.
Diese mechanischen Impulse sollen:
• die Durchblutung im Gehirn verbessern,
• neuronale Regenerationsprozesse anregen,
• die Freisetzung von Wachstumsfaktoren stimulieren,
• möglicherweise Entzündungsprozesse von Nervengewebe reduzieren
Da Alzheimer als neurodegenerative Erkrankung mit einem schleichenden Verlust von Nervenzellen einhergeht, und bislang als unheilbar gilt, besteht die Hoffnung, dass TPS die Hirnaktivität stabilisieren, und eine leichte Verbesserung kognitiver Funktionen bewirken kann. Dazu liegt bislang eine randomisierte Studie vor, in der eine Verbesserung der Hirnleistung allerdings auf jüngere Patient*innen (<70 Jahre) beschränkt war.
Aktueller Forschungsstand – Was ist belegt, was nicht?
Erste kleinere Studien geben zudem den Hinweis darauf, dass Patient*innen im leichten bis mittelschweren Erkrankungsstadium nach einer TPS-Behandlung kurzfristige
kognitive Verbesserungen zeigen. Diese Ergebnisse sind allerdings noch nicht eindeutig genug, da langfristige Effekte bislang noch nicht ausreichend untersucht werden konnten. Die TPS ist daher bisher keine allgemein etablierte Therapie und gilt somit als ein individueller Heilversuch. Betroffene, die eine Behandlung in Erwägung ziehen, sollten sich daher bevorzugt an neurologische Zentren wenden, in denen TPS unter wissenschaftlicher Begleitung angewendet wird. Da die TPS derzeit nicht in klinischen Leitlinien empfohlen wird, ist sie zudem nicht als primäre oder alleinige Therapie für Alzheimer anzusehen.
Was sind Ausschlusskriterien für die Transkranielle Pulswellenstimulation (TPS)?
Die TPS kann nicht bei allen Patient*innen zur Anwendung kommen.
Zu überprüfende Ausschlusskriterien sind beispielsweise:
• erhöhtes Blutungsrisiko des Gehirns (u.a. Gefäßmissbildungen, Aneurysma, Antikoagulation)
• Hirntumore oder Raumforderungen im Gehirn
• Metallische Implantate im Gehirnbereich oder Neurostimulatoren
Multizentrische prospektive Datenerhebung
Diese multizentrische, prospektive Datenerhebung soll helfen das Stimulationsprotokoll zu optieren, häufige bis gelegentliche unerwünschte Wirkungen zu erfassen sowie den Verlauf der Besserung der Alzheimer Symptome durch die TPS-Behandlung in unterschiedlichen neuropsychologischen Skalen zusammengetragen. Die Teilnahme ist freiwillig und kann von Patient*innen im Rahmen der TPS-Behandlung am Klinikum Ernst von Bergmann wahrgenommen werden.
Fazit TPS
Die Transkranielle Pulswellenstimulation (TPS) kann ein neuer und vielversprechender Ansatz in der Alzheimer-Behandlung sein. Der aktuelle wissenschaftliche Stand erlaubt jedoch noch keine klare Empfehlung für eine breite Anwendung. Daher sollte die Therapie nur von erfahrenen Fachleuten in der Alzheimer-Therapie durchgeführt werden. Betroffene und Angehörige sollten sich bewusst sein, dass es sich um eine Selbstzahler-Leistung handelt.
Neue Alzheimer-Antikörpertherapien – Hoffnung und Perspektiven
Patient*innen mit Alzheimer-Demenz (AD) weisen extrazelluläre β-Amyloid-Plaques (Amyloid-β) und intrazelluläre hyperphosphorylierte Tau-Fibrillen auf. Derzeit ist davon auszugehen, dass komplexe und synergistische Wechselwirkungen zwischen Amyloid-β und Tau zum Fortschreiten der AD führen.
Amyloid-β ist das häufigste Ziel neuer Therapien der AD. Durch die Beseitigung von Amyloid-β mit sogenannten monoklonalen Antikörpern soll das Fortschreiten der AD verlangsamt werden. Somit könnten Amyloid-β-Antikörper eine Perspektive auf eine ursächlich wirksame, verlaufsmodifizierende Therapie der AD eröffnen. In der Europäischen Union stehen Alzheimer-Antikörpertherapien bislang nicht zur Verfügung.
Eingesetzt werden die Antikörper bei Menschen mit AD im Frühstadium und nachgewiesener Amyloid-β-Pathologie. Der Nachweis der Amyloid-β-Pathologie gelingt beispielsweise mittels Liquoruntersuchung oder Amyloid-Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Im Folgenden werden zwei Antikörper (Lecanemab und Donanemab) kurz vorgestellt, die aktuell u.a. in den USA, Japan und Großbritannien zugelassen sind:
Lecanemab (Leqembi®) ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper der Immunglobulinklasse G1 (IgG1) und bildet mit hoher Selektivität an Amyloid-β-Aggregate, um diese zu neutralisieren und aus dem Gehirn zu entfernen. Der Antikörper wird zweiwöchentlich als Infusion appliziert.
Die Zulassungsstudie für Lecanemab (Clarity AD; doppelblinde, 18-Monate dauernde, Phase 3-Studie) untersuchte 1795 Patient*innen im Alter von 50-90 Jahren mit früher symptomatischer AD. Nach 1:1-Randomisierung erhielten die Patienten entweder Lecanemab oder eine Placebo-Infusion. Hierunter zeigte sich unter Lecanemab eine signifikante Besserung der Kognition (CDS.SB, ADAS-Cog-14 Score, ADCOMS, ADCS-ADL-MCI-ADL), sowie ein deutlicher Rückgang der Gehirn-Amyloidbelastung im Vergleich zu Placebo.
Donanemab (KisunlaTM) ist ebenfalls ein humanisierter monoklonaler Antikörper der Immunglobulinklasse G1 (IgG1), der in aufsteigender Dosierung alle 4 Wochen als Infusion verabreicht wird. Die Therapiedauer ist derzeit auf 18 Monate angelegt.
Im Rahmen der Zulassungsstudie (TRAILBLAZER-ALZ 2; doppelblinde, 18-Monate andauernde, Phase 3-Studie) wurden 1736 Patient*innen im Alter von 60-85 Jahre mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und leichter AD randomisiert und erhielten entweder Donanemab oder eine Placebo-Infusion. Unter Donanemab war eine signifikante Besserung der kognitiven Leistungsfähigkeit in der neuropsychometrischen Testung (iADRS, CDS-SB), als auch eine signifikante Reduktion von Amyloid und Tau im Gehirn zu verzeichnen.
In den Studien hat sich jedoch gezeigt, dass Amyloid-β-Antikörper mit Nebenwirkungen einhergehen und insbesondere sogenannte Amyloid-bedingte Bildgebungsanomalien (ARIA) hervorrufen können, die teilweise schwerwiegend sind. Bei den ARIA handelt es sich um MRT-Bildveränderungen, die durch Flüssigkeitsansammlungen oder kleine Blutungen im Gehirn verursacht werden. Diese können für die Betroffenen unbemerkt verlaufen, aber auch mit deutlichen klinischen Symptomen, wie beispielsweise einer zunehmenden Verwirrtheit oder epileptischen Anfällen, verbunden sein. Für eine mögliche Anwendung von Amyloid-β-Antikörpern ist daher eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiken zwingend geboten. Kontraindikationen für den Beginn einer Antikörpertherapie sind u. a. Hinweise auf cerebrale Blutungsneigungen (beispielsweise cerebrale Amyloidangiopathie, Mikroblutungen, Therapie mit Antikoagulantien) oder stattgehabte cerebrovaskuläre Ereignisse (lakunäre Hirninfarkte, Territorialinfarkte).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass neue Alzheimer-Antikörpertherapien auf eine Verlangsamung des Fortschreitens der AD im Frühstadium abzielen. Derzeit wird eine Zulassung und Markteinführung in der Europäischen Union geprüft.
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