Der internationale Austausch zwischen Fachexpert*innen im medizinischen Bereich spielt eine entscheidende Rolle für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung weltweit. Unser Experte und Pionier auf dem Fachgebiet des Lipödems, PD Dr. med. Mojtaba Ghods, hat am deutsch-brasilianischen Kongress für Plastische Chirurgie, dem Jornada de Buzios de Cirurgia Plastica 2025, in der Nähe von Rio de Janeiro (Brasilien) teilgenommen. Vorträge wurden von Referent*innen aus der ganzen Welt gehalten. Unser Chefarzt der Klinik für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Mikrochirurgie, Handchirurgie hat im Rahmen seines Vortrags Tipps und Tricks zur chirurgischen Behandlung des Lipödems weitergegeben. Wir haben ihn nach seiner Rückkehr in Potsdam getroffen, um mit ihm über die neuesten medizinischen Entwicklungen zur Lipödemerkrankung zu sprechen und um zu erfahren, weshalb es so wichtig ist, stets im (Wissens-) Austausch zu sein. 

Welche Bedeutung hatte Ihre Teilnahme am deutsch-brasilianischen Kongress?

Herr PD Dr. Ghods: Bis vor zwei Jahren war die Erkrankung des Lipödems in Brasilien weitgehend unbekannt. Erst nach dem Besuch der brasilianischen Kollegen beim 1. Lipedema World Congress in Potsdam, wo 500 Fachkollegen aus aller Welt teilgenommen haben, wurden viele Mediziner auf die Erkrankung aufmerksam und setzen sich seither intensiver mit ihr auseinander. Doch in Brasilien fehlen die Langzeitdaten zur Erforschung des Lipödems, vor allem mit Blick auf die chirurgische Behandlung; der Liposuktion. Da mein Team und ich bereits seit 15 Jahren zum Lipödem forschen, habe ich im Rahmen eines Vortrags unsere Daten und Erkenntnisse vorgestellt und erläutert.

 

Warum ist Ihnen der Austausch mit internationalen Fachkolleg*innen zum Lipödem so wichtig?

Herr PD Dr. Ghods: Im Vergleich zu anderen Erkrankungen ist die Forschung beim Lipödem noch vergleichsweise jung und weltweit unterschiedlich weit entwickelt. Durch den regelmäßigen internationalen Austausch mit den Fachkollegen lassen sich neue Erkenntnisse, Therapieansätze und Behandlungserfolge schneller teilen; was letztlich unseren Patientinnen zugutekommt. Die internationale Zusammenarbeit fördert zudem ein besseres Verständnis der Erkrankung, von der fast ausschließlich Frauen betroffen sind.

Wie profitieren Ihre Patient*innen in Potsdam und Bad Belzig vom internationalen Austausch?

Herr PD Dr. Ghods: Während es vor wenigen Jahren nur drei aktive Forschungsgruppen zum Lipödem gab, sind es heute bereits rund 40 weltweit. Dieses wachsende Netzwerk ermöglicht einen intensiveren Wissenstransfer und spürbare Fortschritte in der Diagnostik und Therapie. Das trägt zum Beispiel dazu bei, die Zeit bis zur Lipödem-Diagnose deutlich zu verkürzen. Ein entscheidender Vorteil für unsere Patientinnen. Diese mussten bisher teils sieben bis zehn Jahre auf eine medizinisch gesicherte Diagnose warten, da die Symptome häufig mit anderen Erkrankungen verwechselt werden, wie etwa Adipositas oder Lymphödemen, oder weil sie teilweise fehldiagnostiziert wurden, was zu vielen frustrierenden Abnehmversuchen führte, da die Patientinnen nur hörten, sie sollen weniger Essen und mehr Gewicht abnehmen. Auch können wir individuellere und effektivere Behandlungspläne anbieten und die Versorgung kontinuierlich verbessern. Letztlich bedeutet das für die Patientinnen mehr Lebensqualität und eine zeitgemäße Betreuung bei Lipödem.

Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten 10 Jahre am Klinikum EvB gesetzt?

Herr PD Dr. Ghods: Unser großes Ziel am KEvB ist, einen Biomarker für eine bessere und schnellere Diagnose zu finden. Doch wir wissen: diesen einen wird es nicht geben. Es gibt keine einzelne Laboruntersuchung oder ein bildgebendes Verfahren, das die Erkrankung eindeutig nachweist. Es spielen viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Aktuell wird das Lipödem in erster Linie klinisch diagnostiziert, also durch eine gründliche körperliche Untersuchung und ein ausführliches Anamnesegespräch mit der Patientin, nach Ausschluss anderer möglicher Gründe. 

Portraitfoto Priv.-Doz. Dr. med. Mojtaba Ghods

"Mein Ziel für die nächsten 10 Jahre ist es, weltweit einer der Ersten zu sein, der durch die bei uns durchgeführte Forschung eine Skala entwickelt (Lipödem Score), anhand welcher bestimmte Faktoren definiert sind und für die Punkte vergeben werden."

PD Dr. med. Mojtaba Ghods, Chefarzt der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie

Heißt: Auffälligkeiten bei den Blutwerten, der Aufbau der Fettzellen und die Genetik werden untersucht und anschließend mit Punkten bewertet und je nachdem wie hoch die erreichte Punktzahl ist, so wahrscheinlich ist das Vorliegen der Lipödem-Erkrankung. Durch eine standardisierte Diagnostik würden wir den Leidensweg der Betroffenen signifikant verkürzen und sie könnten schneller mit der notwendigen Therapie starten. Wir hoffen, dass durch eine standardisierte Diagnostik die Krankenkasse zukünftig die Behandlungskosten auch für das Stadium I und II übernimmt, da wir durch unsere Forschung wissen, je früher das Lipödem behandelt wird, desto besser.

Zum Hintergund

Das Lipödem ist eine chronische atypische, symmetrische Fettverteilungsstörung, die hauptsächlich die Beine und Arme betrifft und fast ausschließlich bei Frauen auftritt. Das Lipödem wird oft begleitet von Schmerzen, Druckempfindlichkeit und einem Schweregefühl in den betroffenen Gliedmaßen. Von dieser Erkrankung sind bis zu 10 Prozent der Frauen betroffen – wobei erste Symptome meistens in Phasen der hormonellen Veränderung, wie beispielsweise der Pubertät, der Schwangerschaft oder der Menopause auftreten.

Patientengeschichte

Mehr zum Lipödem

Priv.-Doz. Dr. med. Mojtaba Ghods und Anne Kohler vor dem Zentrum für Ästhetische Medizin in Potsdam

Diagnose Lipödem

Anne ist 33 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern, lebt in Berlin und arbeitet im Einzelhandel. Ihre Beine sind dick und unförmig; ihr Oberkörper hingegen schlank. Im Jahr 2019 erhält sie die Diagnose Lipödem Stadium 2 und entschließt sich zu handeln.

Ihr Ansprechpartner

Priv.-Doz. Dr. med. Mojtaba Ghods
Chefarzt, Stellv. Ärztlicher Direktor
Qualifikation: Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Zusatzbezeichnung Handchirurgie, Zusatzqualifikation Lymphologie (Curriculum Lymphologic), Facharzt für Chirurgie
Portraitfoto Priv.-Doz. Dr. med. Mojtaba Ghods