Potsdam, 19. Juni 2022

Bleistiftzeichnung eines Unterarms, die eine Zugang zu einem Gefäß mittels eines Shunts zeigt

Bleistiftzeichnung eines Unterarms, die eine Zugang zu einem Gefäß mittels eines Shunts zeigt

Das Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam ist als „Interdisziplinäres Zentrum für Dialysezugänge“ zertifiziert worden. Damit ist das Potsdamer Klinikum das erste Zentrum dieser Art im Land Brandenburg. Die Schaffung eines Dialysezugangs für Patient*innen, die eine Blutwäsche (Hämodialyse) benötigen, stellt immer eine Herausforderung für die Zusammenarbeit der beteiligten Fachabteilungen dar.

Seit rund fünf Jahren kann ein solches Zentrum durch unabhängige Gutachter zertifiziert werden. Eine Besonderheit in Potsdam ist die enge Zusammenarbeit des Shuntzentrums mit dem bereits zertifizierten Gefäßzentrum.Dr. med. Peter Adeberg ist Leiter des Shuntzentrums und hat gemeinsam mit den Kolleg*innen der Fachbereiche der Nephrologie, Gefäßchirurgie, Angiologie und Radiologie den Prozess initiiert und begleitet.

„Es freut mich sehr, dass unsere jahrelange enge interdisziplinäre Zusammenarbeit nun validiert wurde. Damit hat diese gelebte gute Versorgung unserer Patient*innen ihr externes Qualitätssiegel erhalten. Zudem arbeiten wir eng mit Arztpraxen und ambulanten Dialyse-Einrichtungen zusammen, um die Patient*innen auch nach einem stationären Aufenthalt dauerhaft bestmöglich versorgt zu wissen“.

Dr. med. Peter Adeberg, Oberarzt der Gefäßchirurgie und Leiter des Shuntzentrums

Der Shunt

In Deutschland sind etwa 100.000 Patient*innen mehrmals pro Woche auf eine Blutwäsche (Hämodialyse) angewiesen, um die Entgiftungsfunktion der Nieren zu unterstützen oder zu ersetzen. Für die Dialysebehandlung wird ein Gefäßzugang benötigt, also ein speziell dafür vorbereitetes Blutgefäß, der sogenannte „Shunt“ – englisch für Kurzschluss. Dieser wurde in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt und stellt bis heute die zuverlässigste und effektivste Methode für den Anschluss an die Dialysemaschine – der künstlichen Niere - dar.

„Ein Shunt wird meistens am Arm angelegt und bei jeder Dialyse angestochen. Dieses Verbindungstück ist kurz, aber von großer Bedeutung für den guten Verlauf der Dialyse. Der Shunt ist die Lebensader für Patient*innen mit Nierenversagen“, erklärt Nilüfer Tekceli, Dialyse-Oberärztin der Klinik für Nephrologie.

Der Shunt lässt sich unter der Haut gut tasten und problemlos mit Kanülen punktieren. Sollte eine Verbindung aus eigenen Gefäßen nicht möglich sein, kann auch ein Shunt mit Kunststoffmaterial angelegt werden.

„Im Rahmen einer Dialysebehandlung ist die Entnahme und Rückgabe eines großen Blutvolumens in relativ kurzer Zeit erforderlich. Die Venen liegen dicht unter der Haut und sind für eine Blutentnahme durch wiederholte Punktion problemlos erreichbar und vertragen diese über Jahre. Doch für die Dialyse ist der Blutfluss in den Venen nicht stark genug. Bei einem Shunt verbinden wir eine Arterie mit einer Vene. Auf diese Weise wird über die Vene der für die Dialyse ideale Blutfluss ermöglicht“, sagt Dr. med. Peter Olschewski, Departmentleiter der Gefäßchirurgie am Klinikum EvB in Potsdam.

„Wegen des häufig sehr variablen Verlaufes der Blutgefäße des Armes ist eine sorgfältige Ultraschalluntersuchung erforderlich, um eine erfolgversprechende Shuntanlage zu planen. Weiterhin sind regelmäßige Verlaufsuntersuchungen mit dem Ultraschallgerät sinnvoll, um Ursachen für mögliche Komplikationen rechtzeitig erkennen und entsprechend behandeln zu können. In unserer Shuntkonferenz besprechen wir mit den Kolleg*innen komplexe Fälle oder Komplikationen“, sagt Oberarzt Dr. med. Ruttloff aus der Klinik für Angiologie.

Falls es im weiteren Verlauf zu Problemen mit dem Shunt kommen sollte, ist das Shuntzentrum durch die enge Zusammenarbeit mit der interventionellen Radiologie gut aufgestellt. Mögliche Komplikation bei Dialysepatient*innen ist die Verengung der Shuntgefäße, sogenannte Stenosen, die zur Einschränkung der Dialysewirksamkeit bis hin zum Dialyseversagen und zum Verschluss des Dialyseshunts führen kann.

„Als interventionelle Radiologie bieten wir alle modernen Verfahren, insbesondere Katheterbehandlungen, zur Behebung der Stenosen an, um wieder eine gut funktionierende Dialyse zu ermöglichen“, erklärt Heiko Fuchs, Leitender Oberarzt der Radiologie. „Unser Ziel ist es für jede*n Patient*in das individuell optimale Verfahren anzuwenden“, erklärt er. „Zu den Techniken gehören beispielsweise die Ballondilatation mit verschiedenen Arten von Ballons oder das Einsetzen von Stents. In den letzten Jahren wurden Methoden entwickelt Shunts mittels einer Katheterintervention zu schaffen. Gemeinsam arbeiten wir daran dieses Verfahren auch am Klinikum Ernst von Bergmann zu etablieren“, erklärt er.

Die Zertifizierung

Die Etablierung des „Interdisziplinären Zentrums für Dialysezugänge“ ist insbesondere auch vor dem Hintergrund der stetig wachsenden Anzahl von Dialysepatient*innen und dem damit steigendem Bedarf an Erstanlagen und Korrekturen von Gefäßzugängen für die Hämodialyse begründet. Ziel ist es einerseits, bei größtmöglicher Wohnortnähe flächendeckend die Erstanlage von optimalen Gefäßzugängen zu gewährleisten und anderseits auch die Behandlung von Komplikationen auf hohem fachlichem Niveau rund um die Uhr sicher zu stellen.