Potsdam, 22. Mai 2025

Patientin erhält von einer Ärztin eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse

Untersuchung der Schilddrüse mittels Ultraschall, um Entzündungen, Knoten, Zysten oder Kalkablagerungen auszuschließen

Alexander Raths – stock.adobe.com

In Form und Größe gleicht sie einem Schmetterling – in der Bedeutung für unseren Organismus ist sie ein echtes Schwergewicht: Die Schilddrüse steuert durch die Produktion und Abgabe von Hormonen wichtige Körperfunktionen. Dazu zählen unter anderem Körpertemperatur und Herzschlag, Energieverbrauch, Mineralstoff- und Wasserhaushalt sowie bei Kindern die Gehirnreifung und das Wachstum. Vor allem reguliert sie die Geschwindigkeit wichtiger Stoffwechselprozesse und wirkt in so verschiedene Bereiche hinein wie Herz und Kreislauf, Magen und Darm, Nerven und Muskeln sowie das körperliche und seelische Wohlbefinden. Gerät die Hormonproduktion und -abgabe aus der Balance, kommt es zu einer Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse – mit weitreichenden Folgen.

„Das rund 25 Gramm schwere und etwa walnussgroße Organ ist für den gesamten Organismus lebensnotwendig. Es bestimmt darüber, ob wir fit und leistungsfähig oder müde und schlapp sind. Es hat Einfluss darauf, ob sich im Mutterleib ein Kind mit normalen geistigen Fähigkeiten entwickelt, ob wir veränderte Blutzuckerwerte haben oder unser Herz zu Rhythmusstörungen neigt. Das rechtzeitige Erkennen von krankhaften Veränderungen ist deshalb besonders wichtig“, erklärt Dr. med. Ina Martini, Fachärztin für Innere Medizin im MVZ Kleinmachnow, das zur EvB Gruppe in Potsdam gehört. Sie ist spezialisiert auf die Behandlung von Erkrankungen der Schilddrüse.

Schilddrüsenerkrankungen sind häufig und können in jedem Lebensalter auftreten. Bei etwa jedem dritten Erwachsenen in Deutschland bildet sich im Laufe des Lebens mindestens eine krankhafte Schilddrüsenveränderung. Die Häufigkeit steigt mit zunehmendem Alter. Aber auch Kinder und Jugendlichen können Störungen der Schilddrüsenfunktion entwickeln.

Organismus auf Hochtouren oder ausgebremst

Die Schilddrüse bildet drei wichtige Hormone: Trijodthyronin (T3), Thyroxin (T4) und Kalzitonin. Letzteres ist am Kalzium- und Knochenstoffwechsel beteiligt, T3 und T4 regulieren den sogenannten Grundumsatz – die Energie, die der Körper benötigt, um im absoluten Ruhezustand alle grundlegenden Funktionen aufrechtzuerhalten, zum Beispiel Atmung, Herzschlag, und die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur. Produziert die Schilddrüse zu viele Hormone, spricht man von einer Überfunktion, bildet sie zu wenig, liegt eine Unterfunktion vor. Die Folgen sind in beiden Fällen unangenehm und auf Dauer ungesund. Symptome einer Überfunktion sind zum Beispiel ein erhöhter Blutdruck, eine erhöhte Herzfrequenz oder Herzstolpern, Durchfall, Nervosität, Zittern oder Ein- und Durchschlafprobleme.

Werden von der Schilddrüse hingegen zu wenige Hormone gebildet und ausgeschüttet, kann sich diese Unterfunktion durch einen niedrigen Puls, Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Haarausfall sowie kognitive Einschränkungen bemerkbar machen. Sowohl die Unter- als auch die Überfunktion können auf Dauer zu schweren Beeinträchtigungen führen. Besondere Vorsicht gilt bei einer Überfunktion: Sie erhöht das Osteoporose-Risiko und kann zu Vorhofflimmern führen – einem Risikofaktor für einen Schlaganfall.

Unter- und Überfunktion können angeboren sein oder entwickeln sich erst im Laufe des Lebens. Bei einer Überfunktion (Hyperthyreose) sind Autoimmunerkrankungen (u. a. Morbus Basedow) und unabhängige „autonome“ Zellen (sog. Autonomie) häufig Grund für eine Erkrankung. Diese Zellen reagieren nicht mehr auf entsprechende Steuerungsmechanismen und schütten verstärkt Hormone aus.

Häufigste endokrinologische Störung im Kindes- und Jugendalter

Die Schilddrüse beeinflusst die körperliche, geistige sowie seelische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wesentlich. Erkrankungen der Schilddrüse zählen zu den häufigsten endokrinologischen Störungen im Kindes- und Jugendalter.

„Schilddrüsenhormone sind unabdingbar für eine ungestörte Entwicklung. Erkrankungen der Schilddrüse zeigen sich bei Kindern und Jugendlichen auf vielfältige Weise. Charakteristische Beschwerden ändern sich je nach Alter. Mögliche Symptome für eine Unterfunktion sind bei Kindern beispielsweise  Blässe, verzögerte Sprachentwicklung, Anfälligkeit für Infekte oder auch verzögertes Wachstum. Jugendliche zeigen dagegen vermehrt Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Leistungsabfall oder Gemütszustände, die einer Depression ähnlich sind“, erläutert Prof. Dr. med. Jan Däbritz, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Westbrandenburg in Potsdam.

Eine Überfunktion der Schilddrüse äußert sich bei Kindern häufig in Wutanfällen oder Bauchschmerzen. Auch Hyperaktivität kann ihre Ursache in einer Überfunktion der Schilddrüse haben. Jugendliche leiden häufig unter Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen oder können sich schlecht konzentrieren. Auch starker Gewichtsverlust kann auf eine Überfunktion der Schilddrüse hindeuten.

Zur Früherkennung einer schweren angeborenen Unterfunktion der Schilddrüse wird in Deutschland das Neugeborenen-Screening angeboten. Dabei wird dem Säugling in den ersten Lebenstagen, meist im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U2, wenige Tropfen Blut abgenommen. Bei Jugendlichen werden die Schilddrüsenwerte im Rahmen der  Jugendgesundheitsuntersuchungen (J1 und J2) ermittelt, die im Alter zwischen 12 bis 14 Jahren bzw. zwischen 16 und 17 Jahren wahrgenommen werden können.

Schilddrüsenerkrankungen erkennen und behandeln

Wie wichtig die frühzeitige Erkennung einer Schilddrüsenerkrankung ist, zeigt das Beispiel der Hashimoto-Thyreoiditis: Dabei handelt es sich um eine chronische Entzündung der Schilddrüse als Folge einer Autoimmunreaktion. Das Immunsystem stuft das Schilddrüsengewebe als Gefahr ein und bildet Antikörper dagegen. Auf Dauer führt die Attacke des Immunsystems zu einer Unterfunktion der Schilddrüse. Die Hashimoto-Thyreoiditis gilt in Deutschland als häufigste Ursache für eine Schilddrüsenunterfunktion. Langfristig kann sie zu einer Herz-Kreislauferkrankung, in selteneren Fällen auch zu Krampfanfällen, Konzentrations-, Gedächtnis- oder Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma führen. Zudem gilt das Risiko für die Entstehung bösartiger Tumoren im Bereich der Schilddrüse als erhöht.

Beim ersten Verdacht auf eine Störung der Schilddrüsenfunktion sollte ein Termin in der Hausarzt bzw. Kinder- und Jugendarztpraxis oder bei einem Internisten mit Spezialisierung auf Schilddrüsenerkrankungen vereinbart werden. Eine sorgfältige Diagnostik ist ratsam, um das Organ genau zu beurteilen sowie Entzündungen, Knoten, Zysten oder Kalkablagerungen auszuschließen. Diese setzt sich aus verschiedenen Untersuchungen zusammen: Anamnese, Tastbefund, Ultraschalluntersuchung (Sonographie) der Schilddrüse sowie der Lymphknoten am Hals und Laborwertbestimmung.

In Einzelfällen sind auch eine Szintigraphie der Schilddrüse zur Funktionsbeurteilung von Knoten, eine Röntgenuntersuchung der Luftröhre zur Abklärung einer durch die Schilddrüse verursachten Einengung oder eine Kernspin- oder Computertomographie des Brustkorbes erforderlich, um im Brustkorb gelegene Schilddrüsenanteile zu erkennen. Über die Blutuntersuchung lässt sich die Schilddrüsenfunktion bestimmen, Schilddrüsenentzündungen nachweisen und auch Hinweise auf Schilddrüsentumoren finden.

Viele Schilddrüsenerkrankungen werden primär medikamentös behandelt, um den Hormonhaushalt wieder auszugleichen und die Funktion der Schilddrüse zu regulieren. Eine Radiojodtherapie oder ein operativer Eingriff wird meist nur bei komplizierten Krankheitsverläufen bzw. Schilddrüsentumoren durchgeführt.

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