Leben mit dem Lipödem

Jeder kennt es: die Zahl auf der Waage steigt und steigt und man fühlt sich mit der Zeit nicht mehr wohl in seinem eigenen Körper. Die logische Schlussfolgerung vieler lautet: „Ich muss abnehmen!“.

Gerade zu Zeiten des durch die Medien provozierten Schönheitswahns, rückt das Thema Selbstliebe immer mehr in den Vordergrund. Mithilfe gesunder Ernährung und Sport gelingt es den meisten, die als störend empfundenen Pfunde loszuwerden und sich im eigenen Körper wieder wohl zu fühlen. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass viele an ihrem Abnehm-Versuch scheitern und die Kilos einfach nicht loswerden.

So erging es auch Anne. Sie ist 33 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern, lebt in Berlin und arbeitet im Einzelhandel. Ihre Beine sind dick und unförmig; ihr Oberkörper hingegen schlank. Im Jahr 2019 erhält sie die Diagnose Lipödem Stadium 2 und entschließt sich zu handeln. Sie hat sich seither bereits zwei Mal operieren lassen.

Das Lipödem

Das Lipödem ist eine atypische, symmetrische Fettverteilungsstörung, die hauptsächlich die Beine und Arme betrifft und fast ausschließlich bei Frauen auftritt. Von dieser Erkrankung sind fast 10 Prozent der Frauen betroffen – wobei erste Symptome meistens in Phasen der hormonellen Veränderung, wie beispielsweise der Pubertät, der Schwangerschaft oder der Menopause auftreten.

Das Lipödem wird in drei Stadien unterteilt:

  • Stadium 1: feinknotiges Gewebe
  • Stadium 2: grobknotiges Gewebe
  • Stadium 3: groblappiges Gewebe

Mangelnde Disziplin in der Ernährung und Faulheit bei Bewegung sind also oftmals ganz und gar nicht der Grund für die Ansammlung von Fett im Körper. Diese veraltete Denkweisen unserer Gesellschaft und eine fehlende Bekanntheit der Erkrankung Lipödem führen leider immer noch dazu, dass die Diagnose bei den Betroffenen spät oder gar nicht gestellt wird.

Die Symptome

Im Gespräch berichtet Anne über die Symptome ihrer Lipödem-Erkrankung: „Im Vergleich zu meiner Mutter und meiner Schwester war ich schon immer kräftiger, was oft ein Thema in unserer Familie war. Trotz Sport, vor allem Leichtathletik, hatte ich noch nie schlanke Beine. Als ich dann nach meiner ersten Schwangerschaft im Jahr 2013 ziemlich zugenommen hatte, versuchte ich mithilfe von Sport und einer Low-Carb Ernährung abzunehmen. Das klappte allerdings nur zum Teil; denn überall purzelten die Pfunde, außer an den Beinen.“

Im Jahr 2017 brachte Anne ihr zweites Kind zur Welt. Damit begann ihr langer und vor allem schmerzhafter Leidensweg, denn die Beine waren nicht nur unförmig und nicht passend zum Rest des Köpers, sie schmerzten von nun an und schränkten sie im Alltag ein: „Plötzlich fingen meine Beine an extrem weh zu tun. Dadurch konnte ich nur sehr eingeschränkt Sport treiben“, so Anne. Auch das Familienleben leidet unter der Erkrankung: „Ich konnte meine Kinder nicht mehr so einfach auf den Schoß nehmen, da die Schmerzen in den Beinen zu groß waren.“

Anne erzählt: „Ich war zu diesem Zeitpunkt sehr deprimiert. Man hört von den Liebsten zwar immer: du bist wunderschön, so wie du bist. Aber ich selbst habe mich in meinem Körper überhaupt nicht mehr wohlgefühlt.“

Die konservative Behandlung

Schließlich entschied sie sich nähere Informationen über das Internet einzuholen und stellte sich mehreren Ärzten vor. Als sie dann die Diagnose „Lipödem im Stadium 2“ erhält, beginnt sie direkt mit der konservativen Therapie: der Kompression und der Lymphdrainage. „Ich habe jedoch keine Verbesserung gespürt. Das Gewebe ist zwar weicher geworden, aber die Schmerzen blieben unverändert“, erinnert sich Anne.

Nachdem sich Anne bei diversen Ärzten unzureichend betreut fühlte, suchte sie nach einem Experten auf dem Gebiet des Lipödems. Durch Weiterempfehlungen von ebenfalls Betroffenen ist Anne auf Priv.-Doz. Dr. Ghods und das Zentrum für Ästhetische Medizin in Potsdam aufmerksam geworden. Für Anne stand sofort fest, dass sie sich hier von Herrn Ghods operieren lassen möchte – obwohl diese Art der Behandlung nicht von den Krankenkassen übernommen wird.

„Wir halten uns immer an das 4-Augen-Prinzip. Das bedeutet: wir empfehlen unseren Patientinnen immer, sich eine Zweitmeinung einzuholen. Unser Ziel ist selbstverständlich, zuerst alle konservativen Therapiemethoden auszuschöpfen, bevor wir eine Operation in Erwägung ziehen, “ erläutert Priv.-Doz. Dr. med. Mojtaba Ghods.

Die Liposuktion

Die Liposuktion – eine medizinisch indizierte Fettabsaugung – hat sich während der letzten Jahre als Behandlungsmethode des Lipödems etabliert. Die Liposuktion zielt darauf ab, so viel krankhaftes Fettgewebe wie möglich zu entfernen, um die Beschwerden zu verbessern und weitere Veränderungen zu vermeiden. Meistens werden dazu mehrere Operationen benötigt. Die Kosten für den chirurgischen Eingriff werden jedoch erst ab dem Lipödem Stadium 3 übernommen.

Für Anne ist es im März diesen Jahres endlich soweit: nach Monaten des Tragens von Kompressionswäsche, wird bei ihr eine Liposuktion durchgeführt. Nach einer Ruhephase fand im September der zweite chirurgische Eingriff statt. Bei den beiden Operationen wurden jeweils acht Liter krankhaftes Fett abgesaugt. Fett, welches Anne die letzten Jahre mühselig mit sich rumgetragen hat und mit einer Ernährungsumstellung nicht losgeworden ist.

Herr Ghods erklärt: „Nach solch einem Eingriff erlangen die Patientinnen eine Menge an Lebensqualität zurück. Erstens die Schmerzminderung und zweitens die sichtbare Reduzierung des Beinumfangs.“ 

Das Leben mit dem Lipödem

Doch geheilt ist Anne nicht. Das Lipödem ist eine Erkrankung, die nicht geheilt werden kann. Anne – sowie alle anderen Betroffenen – müssen lernen, mit dem Lipödem zu leben und weiterhin eine gesunde Lebensweise einhalten: „Wir versuchen unseren Patientinnen direkt zu vermitteln, dass sie nach der Operation nicht geheilt sind, da die krankhafte Fettverteilungsstörung ein Leben lang bleibt. Umso wichtiger ist es, nach der Operation auf die Ernährung zu achten, Sport zu treiben und vor allem mental stabil zu bleiben“, so Herr Ghods.

Aufgrund dieser Tatsachen, nimmt das Lipödem weiterhin einen großen Raum in Annes Leben und vor allem in ihrem Alltag ein. Sie schildert: „Dadurch, dass ich im Drei-Schicht-System arbeite, ist es oftmals schwer den Sport und die Lymphdrainage in den Alltag zu integrieren. Auch die Kinder sind von meinem Ernährungsplan nicht immer begeistert, weshalb ich öfter doppelt kochen muss: einmal für die Kinder und einmal für mich.“

Doch Anne nimmt es gelassen, denn durch die Behandlungen konnte sie eine Menge an Lebensqualität zurückgewinnen: „Mein Leben hat sich nach den beiden Operationen extrem zum Positiven gewandt. Seit dem ist das ständige Stehen während der Arbeit  deutlich angenehmer geworden. Und am Nachmittag habe ich nicht mehr das dringende Bedürfnis, die Beine hochzulegen und zu schlafen, was früher die einzige Möglichkeit war, den Schmerzen entgegenzuwirken.“

Blick in die Zukunft

Der Behandlungsweg von Anne ist noch nicht beendet; im Frühjahr 2023 will sie sich ein drittes und letztes Mal von Herrn Ghods operieren lassen. Dann wird eine Liposuktion der Arme durchgeführt. Denn mittlerweile sind auch beide Oberarme stark von krankhaftem Fettgewebe befallen und schmerzen. Vor der jungen Mutter liegt somit noch ein langer Weg, um komplett beschwerdefrei den Alltag meistern zu können.

Auf diesem Weg wünschen wir Anne und ihrer Familie von Herzen alles Gute.