Potsdam, 8. Juni 2023

Dr. Joswig, Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie, im OP-Saal kurz vor einer Wach-Operation.

Dr. Joswig, Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie, im OP-Saal kurz vor einer Wach-Operation.

Wach sein während einer Operation am Gehirn? – Für die meisten unter uns beängstigend und unvorstellbar. Doch tatsächlich ist das in manchen medizinischen Fällen ein absolutes Muss! Eine Wach-Operation, bei welcher der Patient wortwörtlich während des chirurgischen Eingriffs wach und ansprechbar ist, wird häufig im Fachbereich der Neurochirurgie angewandt; hauptsächlich bei der Entfernung von Gehirntumoren.                             

Am heutigen Welthirntumortag sprechen wir stellvertretend für das Team der Klinik für Neurochirurgie mit Oberarzt Dr. med. Holger Joswig zu dem Ablauf einer solchen Wach-Operation am Klinikum EvB.

Dr. Joswig, zu allererst stellt sich die Frage: Welchen Vorteil hat es, dass der Patient während der Operation bei Bewusstsein ist?

Dr. Joswig: Dank des Wachzustandes kann der Patient selbst einen essentiellen Teil zur Operation beitragen: Durch direktes Feedback des wachen Patienten können mit der Technik der elektrokortikalen Stimulation wichtige Hirnareale als solche identifiziert und Schädigungen dieser gezielt vermieden werden. Die Wach-Operation senkt somit das Komplikations-Risiko, und umso mehr Tumor entfernt wird, umso besser ist die weitere Prognose des Krankheitsverlaufs.

Wann genau ist eine Wach-Operation erforderlich?

Dr. Joswig: Eine Wach-Operation ist eben dann erforderlich, sobald wir es mit einem Tumor zu tun haben, welcher sehr nahe an wichtigen Hirnarealen wie z.B. dem Sprachzentrum des Gehirns lokalisiert ist. Durch die Überprüfung der Sprachfunktion während des Eingriffes kann das Sprachzentrum als solches gefunden und geschont werden.

Wie ist der Ablauf einer Wach-Operation?

Dr. Joswig: Am Tag der Operation wird der Patient nicht wie in den meisten Fällen üblich vor der Operation in Vollnarkose versetzt, sondern erhält eine lokale Betäubung der Kopfhaut, die ausreichend ist, um die Operation schmerzlos zu gestalten. Ist wie in dem eben genannten Beispiel das Sprachzentrum betroffen, so wird eine Logopädin vor Ort für die Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten während der OP zuständig sein. Neben der Überprüfung der Hirnfunktion ist die Unterhaltung zwischen Patient und Logopädin ebenfalls extrem förderlich, um dem Patienten während der Operation Sicherheit zu geben und zu begleiten.

Von dem Eingriff am Gehirn sieht der Patient nichts, da alles mit einem sterilen Tuch abgedeckt ist und das Blickfeld wie aus einem Zelt heraus zum Narkosearzt und den weiteren Teammitgliedern im Operationssaal gerichtet ist. Während der gesamten Prozedur kann der Patient seinen Chirurgen also nicht sehen, aber mit ihm reden. Unsere Chirurgen und Anästhesisten haben viel Erfahrung mit dieser Art von Operation und leiten die Patienten durch alle Schritte sicher durch.

Ist jeder Patient für eine Wach-Operation geeignet?

Dr. Joswig: Wenn sich die Frage einer Wach-Operation stellt, werden unsere Patienten zuvor gut selektiert. Bei extrem angstvollen Patienten oder Patienten, die nur eingeschränkt kooperativ sein können und selbstverständlich alle denjenigen, die eine Wach-Operation aus bestimmten Gründen ablehnen, führen wir keine durch. Mit guter Vorbereitung des Patienten durch unser Team gelingt es aber in der Regel, Angstzustände zu verhindern.

Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Joswig. 

Portraitfoto Dr. med. Holger Joswig
Oberarzt
Dr. med. Holger Joswig