Morbus Parkinson – wenn das Leben ins Wanken gerät

„Das Schlimmste was Sie jetzt machen können ist, dass Sie nach Hause gehen, sich an den Computer setzen und googlen.“ Dieser Ratschlag hat sich bei Melanie Basista so tief eingeprägt, dass er auch elf Jahre später noch immer präsent ist. Es ist der Neurologe Prof. Martin Südmeyer, der der damals 40-jährigen Düsseldorferin die Diagnose Morbus Parkinson übermittelt. Er ist es auch, der Frau Basista davon abrät im Internet nach der Diagnose zu suchen. Sie hält sich daran und findet ihren persönlichen Weg ihr Leben fortan mit der chronischen Erkrankung zu gestalten – ohne Erfahrungsberichte aus dem Internet. 

Portraitbild von Melanie Basista

Portraitbild von Melanie Basista

Der Weg zur gesicherten Diagnose

Es ist eine unwesentliche Bewegung von der einen Körperseite auf die andere: morgens im Bett nochmal umdrehen. Für die meisten Menschen kein allzu großer Kraftakt. Doch für Frau Basista ist es eine Bewegung, bei der sie viel Energie aufbringen muss, um ihren angespannten Körper überhaupt erst zu mobilisieren. In ihrem Körper fühlt es sich an, als wäre sie eingefroren. Begonnen hat alles vor elf Jahren, als sie im Alter von 40 Jahren beim morgendlichen eincremen des Gesichts feststellt, dass ihr linker Arm nicht mehr das macht, was sie will. Kreisende Bewegungen werden ruckelig und sind nicht mehr flüssig. Zu Beginn sind es schleichende Veränderungen: ein Stolpern über den linken Fuß beim Spazierengehen mit dem Hund, eine ungeschickte Handbewegung. Frau Basista hat für sich eine Erklärung der Symptome ausgemacht: Stress. Privat hat sie zu diesem Zeitpunkt viel um die Ohren und es scheint ihr erstmal logisch, dass die Veränderungen ihrer Motorik von der aktuellen Lebenssituation kommen. „Ich fühlte mich einfach entkräftet“, erinnert sich Frau Basista. Doch als keine Besserung eintritt, sucht sie ihren Hausarzt auf. Sie wird umgehend an die Uniklinik Düsseldorf überwiesen. Es folgen viele Tests. Um den Symptomen auf den Grund zu kommen verbringt sie eine Woche in der Uniklinik. Neben EKG und MRT-Aufnahmen wird auch ein DATSCAN gemacht. Diese Untersuchung überprüft die Funktionsfähigkeit besonderer Nervenbindungen in einem bestimmten Hirnareal. Zudem wird der Levodopa-Test durchgeführt. Ein Test, bei dem die Reaktion des Körpers auf ein Parkinson-Medikament dokumentiert wird. Ein Puzzlestück von vielen, um die gesicherte Diagnose Morbus Parkinson stellen zu können.

Die erste Reaktion von Frau Basista ist purer Schock. Sie kann die Diagnose kaum glauben; traut den vorliegenden Ergebnissen nicht und hofft, dass eine Verwechslung vorliegt. „Ich war damals mit dieser Krankheit nicht vertraut, da es für mich eine Erkrankung war, die eigentlich nur ältere Menschen betrifft“, erinnert sie sich. Doch Prof. Martin Südmeyer und sein Team sind sich sicher, dass bei Frau Basista ein Morbus Parkinson Syndrom vorliegt, was die Tests schwarz auf weiß bestätigen. Neben tausend Fragen zur Erkrankung beschäftigt sie sich hauptsächlich mit einer: „Warum ich und warum jetzt?“.

Mehr als nur ein Zittern

Der Begriff Parkinson ist vielen nicht unbekannt. Es ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen und wird den sogenannten Bewegungsstörungen zugeordnet. Eines der bekanntesten Symptome ist ein unwillkürliches Zittern; auch Tremor genannt. Zudem kann es zu einer Bewegungsverlangsamung (Hypokinese) und einer Tonussteigerung der Muskulatur (Rigor) kommen. Darüber hinaus beklagen Betroffene häufig auch sogenannte nicht-motorische Beschwerden, wie einen Verlust des Geruchssinns, eine niedergeschlagene Gemütslage, Schlafstörungen oder Schmerzen. Etwa 80 Prozent der Betroffenen sind bei der Diagnose 60 Jahre oder älter. Frau Basista sticht mit ihrem jungen Alter heraus – vor allem auch im Wartezimmer des niedergelassenen Neurologen, der bei ihr die medikamentöse Ersteinstellung vornimmt. Das wirksamste Mittel gegen die Parkinson-Symptome ist der Arzneistoff Levodopa. Es überwindet die Blut-Hirn-Schranke und wird im Gehirn in aktives Dopamin umgewandelt. Damit eine ausreichende Wirkstoffkonzentration im Gehirn erreicht wird, müssen Betroffene Levodopa in hohen Dosen einnehmen. Dadurch kann eine deutliche Symptomreduktion erzielt werden. Optimiert wird die Einstellung durch eine Videotherapie. Hierbei filmt sich Frau Basista im Alltag, um ihre Bewegungsabläufe den Tag über zu dokumentieren. Das Videomaterial deckt tageszeitliche Schwankungen auf und ermöglicht eine bessere Einstellung der Medikation.

Frau Basista hat zu Beginn Mühe sich mit ihrer Erkrankung auseinander zu setzen, sie zu akzeptieren. Sie geht jedoch schnell offen mit der Erkrankung um, was es für ihre Mitmenschen und vor allem für sie selbst einfacher zu machen scheint. Sie nimmt weiterhin aktiv am Leben teil und übt ihren Job in Vollzeit aus. Doch knapp drei Jahre nach Erhalt der Diagnose stellen sich bei Frau Basista sogenannte Wirkfluktuationen ein. Ihre sogenannte „Honeymoon-Phase“ kommt zu einem schleichenden Ende. Wo vor kurzem noch Tabletten geholfen haben bestimmte Bewegungen wieder flüssiger ablaufen zu lassen, so fällt die Düsseldorferin meist nach 16:00 Uhr in eine Off-Phase. Eine Phase, in der sie mit starken Schwankungen der Bewegungsfähigkeit zu kämpfen hat. Sie merkt wie der Alltagsstress schlagartig ihre Symptome verstärkt. Weitere Medikamente werden verschrieben. „Irgendwann“, so sagt Frau Basista, „stand täglich eine Dose mit 15 Tabletten vor mir“.

Therapiewechsel nach 10 Jahren

Sie kämpft sich alleine durch die Jahre. Sie will sich und ihr Leben nicht aufgeben, will andere damit allerdings auch nicht belasten. Im Jahr 2022 muss sie sich eingestehen, dass sie alleine mit der medikamentösen Therapie keinen geregelten Alltag mehr führen kann. Zu groß sind die Schwankungen und zu stark sind die Symptome.

Frau Basista beschließt Kontakt zu Herrn Prof. Martin Südmeyer aufzunehmen. Fast zehn Jahre nach Stellung der Diagnose ist dieser im Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam als Chefarzt der Klinik für Neurologie tätig. Die knapp 550 Kilometer sind für Frau Basista kein Hindernis. Es folgt die stationäre Aufnahme in Potsdam und erneut eine Reihe von Tests: wieder EKG, wieder MRT, wieder Levodopa-Test. All die Tests werden mit dem Ziel durchgeführt, um für Frau Basista die nächste Therapiemöglichkeit zu finden.

Frau Basista hat nach einer Woche in Potsdam die Wahl zwischen einer Pumpen-Therapie oder einer Tiefe Hirnstimulation. Bei der Pumpen-Therapie ist kein chirurgischer Eingriff notwendig. Das Parkinson-Medikament Levodopa wird über eine Pumpe, die am Körper getragen wird, automatisch in den Körper gespritzt. Die Pumpe tragen die Betroffenen am Hosengürtel oder um den Hals. Für Frau Basista ist dies keine Option, da sie sich viel Autonomie und vor allem Bewegungsfreiheit wünscht. Sie entscheidet sich für das operative Verfahren der Tiefen Hirnstimulation.

Am 23.03.2023 erfolgt der operative Eingriff in Vollnarkose. Im Rahmen der Tiefen Hirnstimulation werden Elektroden im Gehirn an speziellen Stellen platziert, die für die typischen Parkinson-Aktivitäten verantwortlich sind. Der Eingriff dauert nur wenige Stunden und fühlt sich für Frau Basista wie ihren zweiten Geburtstag an. Dieser Tag ist für sie von solch hoher Bedeutung, dass sie das Datum mittlerweile als Tattoo unter der Haut trägt – gemeinsam mit ihrer EKG-Linie.

Ein neuer Lebensabschnitt nach der Tiefe Hirnstimulation

An die ersten Tage nach der Operation erinnert sich Frau Basista noch allzu gut: „Die Wahrnehmung nach der OP war sehr unterschiedlich: ich fand, ich war super drauf und konnte alles machen. Mein Partner sagte, ich war wie auf Drogen“. Für das Ärzteteam rund um Prof. Martin Südmeyer ist das beschriebene Verhalten von Frau Basista keine Seltenheit. Oberarzt Dr. Ali Amouzandeh hat dafür sogar einen Begriff und erklärt: „Ich nenne das immer den Herkules-Effekt. Die Patientinnen und Patienten sagen: Ich war zehn Jahre im Schraubstock und kann jetzt wieder alles! Das ist eine große Umstellung, an die man sich erstmal gewöhnen muss“. Frau Basistas Bewegungen sind durch die Tiefe Hirnstimulation flüssiger, die Steifigkeit in ihrem Körper hat spürbar nachgelassen. Auch das morgendliche Umdrehen im Bett ist auf einmal wieder möglich. „Für einen gesunden Menschen ist das normal – für mich war das ein echter Zugewinn“, sagt sie. Aktuell findet die medizinische Nachsorge alle sechs Monate statt.

Geheilt ist Frau Basista trotz der Operation und dem Einsatz der Elektroden dennoch nicht. Parkinson ist eine chronische Erkrankung, deren Heilung derzeit nicht möglich ist. Für Frau Basista bedeutet das den Rest ihres Lebens täglich Tabletten einzunehmen. Es wird deshalb weiterhin Tage geben, an denen sie aufgrund von Umstellungen der Medikation mit starken Stimmungsschwankungen zu kämpfen hat. Es wird ihr Partner sein, der ihr an diesen schlechten Tagen zur Seite steht. „Dieses auf und ab kann man nicht alleine bewältigen, denn die eigene Wahrnehmung ist oft eine völlig andere, als die des Partners oder von Außenstehenden.“, erklärt Frau Basista. Und es wird viele gute Tage geben, an denen sie mit ihrem Partner im Stadion sitzt und sie gemeinsam das Basketball-Team anfeuern.

Der Blick in die Zukunft fällt Frau Basista nicht schwer: sie wünscht sich, dass die kommenden Jahre positiv verlaufen und sie weiterhin nicht den Mut verliert – auch nicht an den Tagen, an denen sie müde und erschöpft ist. Elf Jahre nach der Diagnose sagt sie: „Ich habe eine viel positivere Einstellung gegenüber meiner Parkinson-Erkrankung. Ich habe mich nicht mit ihr abgefunden – ich habe sie akzeptiert und lebe nun damit“.

Wir danken Frau Basista für diesen Einblick in ihr Leben mit Parkinson und wünschen ihr für die kommenden Jahre nur das Beste.

Im Fokus

DAT-Scan-Szintigraphie zur Diagnostik von Morbus Parkinson

Morbus Parkinson

Morbus Parkinson ist gekennzeichnet durch das Hauptsymptom der Akinese, einer Verlangsamung und Verminderung der Willkürbewegungen, die klassischerweise einseitig beginnt. Dies äußert sich zum Beispiel durch eine generelle Bewegungsarmut, ein kleiner werdendes Schriftbild, einen verminderten Armmitschwung oder ein kleinschrittig-schlurfendes Gangbild.