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Multiple Sklerose

Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Sie beginnt meist im frühen Erwachsenenalter und betrifft doppelt so häufig Frauen wie Männer. Da die Erkrankung in Verlauf, Beschwerdebild und Therapieerfolg von Patient zu Patient sehr unterschiedlich ist, wird MS auch als die "Krankheit mit den 1000 Gesichtern" bezeichnet. Schätzungen zufolge leben in Deutschland laut Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als 252.000 MS-Erkrankte.

Typische Symptome

Die Symptomvielfalt reicht von motorischen Störungen wie Lähmungen oder erhöhte Muskelsteifigkeit über Sehstörungen bis hin zu Gefühlsstörungen, zum Beispiel Schmerzen, Kribbeln oder Taubheit. Auch Blasenstörungen oder weniger greifbare Symptome wie Erschöpfbarkeit (“Fatigue”), kognitive Störungen, depressive Verstimmungen und andere Symptome können hinzukommen.

Nach aktuellem Stand wird davon ausgegangen, dass statt einzelner Faktoren ein Zusammenspiel verschiedener Bedingungen die Ursache für Multiple Sklerose ist. So wird unter anderem dem Immunsystem eine zentrale Rolle zugeschrieben, aber auch genetische und umweltbedingte Faktoren (z.B. Infektionen) könnten zur Entstehung von MS beitragen.

Da das Erscheinungsbild der MS vielseitig ist und gerade zu Beginn auch anderen Krankheiten ähnelt, beruht eine gesicherte Diagnose auf einer umfassenden Erfassung der bisherigen Krankheitsgeschichte und einer Reihe weiterer Untersuchungen. Die MS und andere chronisch-entzündliche Erkrankungen des Zentralen Nervensystems bilden daher einen Behandlungsschwerpunkt im Klinikum Ernst von Bergmann. Hier bietet die Klinik für Neurologie ein umfangreiches Spektrum diagnostischer Methoden inklusive neuropsychologischer Testungen an.

Behandelt wird die Erkrankung in Einbezug der individuellen Gegebenheiten der Patient*innen hauptsächlich medikamentös. Außerdem finden Physio-, Ergotherapie, Logopädie und Psychotherapie breite Anwendung.

Diagnose im Fokus

Zunächst erfolgt eine ausführliche Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte): Welche neurologischen Symptome und Beschwerden bestehen im Moment und gab es in der Vergangenheit bereits Episoden mit neurologischen Ausfallerscheinungen?

Wir fragen dabei zum Beispiel nach Sehstörungen, Lähmungen, Störungen der sensiblen Wahrnehmung, Missempfindungen, Schwindel, Ungeschicklichkeit der Hände, Schwierigkeiten beim Gehen, Blasen- oder Darmstörungen.

Gibt es bekannte andere Vorerkrankungen oder leiden Familienmitglieder an einer neurologischen oder autoimmunen Erkrankung?

Es erfolgt eine ausführliche neurologische Untersuchung. Hier testet die Ärztin/der Arzt alle wichtigen Funktionen des Nervensystem. Dazu zählen zum Beispiel die Muskelkraft, die Reflexe, die Zielbewegungen und Geschicklichkeit von Armen und Beinen, die Sehfunktion, die Augenbewegungen, der Gleichgewichts- und Lagesinn und das Berührungsempfinden.

Die MRT-Untersuchung (Magnetresonanztomographie, auch Kernspintomographie genannt) ist eine wichtige Säule der Diagnosestellung. Die Untersuchung erfolgt ohne Strahlenbelastung und kann Entzündungsherde im Gehirn und Rückenmark nachweisen. Mit Hilfe von Kontrastmittel, das während der Untersuchung über eine Vene gespritzt wird, kann außerdem festgestellt werden, ob zum Untersuchungszeitpunkt gerade eine aktive, frische Entzündung vorliegt.

Die MRT-Veränderungen werden von Radiologen und Neurologen dahingehend bewertet, ob sie in ihrer Lage und Form typisch für eine Multiple Sklerose sind oder ob sich Hinweise für eine andere Ursache der Herde finden.

Die Untersuchung des Nervenwassers (Liquoranalyse) gibt entscheidende Hinweise, ob entzündliche Prozesse im zentralen Nervensystem stattfinden. Das Nervenwasser wird durch eine Lumbalpunktion gewonnen. Die Untersuchung dauert nur wenige Minuten und wird üblicherweise im Sitzen im Bereich der Lendenwirbelsäule durchgeführt. Mit einer dünnen Nadel gelangt die Ärztin / der Arzt zwischen den Wirbelkörperfortsätzen hindurch in den sogenannten Spinalkanal und kann eine kleine Menge Nervenwasser abtropfen lassen. Die Punktion findet im unteren Abschnitt der Lendenwirbelsäule statt, wo sich kein Rückenmark mehr befindet.

Im Labor wird das Nervenwasser dann auf enzündliche Veränderungen untersucht, insbesondere auf das Vorhandensein von Entzündungszellen oder Antikörpern. Ein wichtiger Baustein in der Diagnose der Multiplen Sklerose ist der Nachweis von oligoklonalen Banden, die eine Produktion von gleichförmigen Antikörpern im Nervensystem anzeigen und typisch für eine Immunreaktion sind. 

Auch das Blut wird ausführlich untersucht. Es gibt allerdings keinen Blutwert, der eine Multiple Sklerose nachweisen oder bestätigen kann. Vielmehr ist es wichtig, dass andere Erkrankungen, die sich ähnlich wie eine Multiple Sklerose äußern können, sicher ausgeschlossen werden. Dazu zählen insbesondere bestimmte Infektionen und andere Autoimmunerkrankungen.

Ein weiterer Baustein der Diagnosestellung ist die Untersuchung im elektrophysiologischen Labor. Hier wird die Leitungsfähigkeit der Nervenbahnen untersucht. Besonders wichtig ist die Untersuchung des Sehnerven durch VEP (Visuell evozierte Potentiale). Dabei schaut der Patient auf einen Monitor, das ein Schachbrettmuster anzeigt. Am Kopf angebrachte Elektroden können die Signale messen, die durch den visuellen Reiz ausgelöst und über den Sehnerven und Sehbahn an die Sehrinde im hinteren Teil des Gehirns weitergeleitet werden. Die Untersuchung gibt Aufschluss darüber, ob eine Schädigung des Sehnerven vorliegt, die ein häufiges Symptom der Multiplen Sklerose darstellt.

Einen spezifischen Marker oder einen einzelnen beweisenden Befund für die Multiple Sklerose gibt es nicht. Es müssen alle gewonnenen Untersuchungsergebnisse zusammen bewertet werden.

Die Diagnose kann gestellt werden, wenn die erhobenen Befunde mit der Multiplen Sklerose vereinbar sind und eine andere Erkrankung als Erklärung ausgeschlossen wurde. Sobald die Diagnose Multiple Sklerose schließlich feststeht, kann gemeinsam mit der Patientin / dem Patienten eine individuelle Therapiestrategie für die Behandlung der Erkrankung besprochen werden.   

Sowohl die Diagnosestellung als auch die Therapie sollten von einer Ärztin oder einem Arzt mit ausreichender Erfahrung auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose erfolgen.