Adipositaschirurgie
Adipositas – eine ernste Erkrankung
Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland weisen ein Übergewicht auf. Nach den aktuellen Zahlen leidet nahezu jeder fünfte Bundesbürger an krankhaftem Übergewicht (Frauen 23,9 Prozent, Männer 23,1 Prozent).
Somit handelt es sich bei der Adipositas um eine echte Volkskrankheit. Vergesellschaftet ist dieses Krankheitsbild mit lebensverkürzenden Begleiterkrankungen. Dazu zählen insbesondere Diabetes (Zuckerkrankheit) mit seinen Komplikationen, Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Lungenfunktionsstörungen mit Atemnot, Erstickungsanfälle beim Schlafen (Schlaf-Apnoe-Syndrom) und schwere orthopädische Erkrankungen der Gelenke und/ oder Wirbelsäule. Auch belegen viele Studien einen deutlichen Risikoanstieg, an bösartigen Tumoren zu erkranken, wie Darm-, Magen-, Speiseröhren- und Eierstockkrebs.
Nach den Leitlinien muss die Behandlung der Adipositas von einem interdisziplinären Team gewährleistet werden. Dazu gehören erfahrene Ernährungsmediziner und Berater, klinische Psychologen, Physiotherapeuten und ein speziell erfahrenes Operations- und Anästhesieteam.
Die Ursachen von Adipositas werden schon seit Jahren nicht ausschließlich auf schlechte Essgewohnheiten und damit Eigenverschulden der Patienten zurückgeführt. Klinische Studien haben aufgedeckt, dass es sich um ein sehr kompliziertes Krankheitsbild handelt. Gesicherten Einfluss haben Störungen des Stoffwechsels und der Hormonregulierung, gesteigerte Verwertung von Nahrungsstoffen, genetische Vorbelastungen und gestörte psycho-soziale Faktoren.
An erster Stelle der Adipositas-Therapie stehen konservative Maßnahmen. Dazu zählen Diäten, Ernährungskurse, psychotherapeutische Interventionen, medikamentöse Behandlungsversuche und Bewegungstherapien. Ein langfristiger Erfolg stellt sich über diesen Weg nicht immer ein. Bekannt ist der sogenannte Jo-Jo-Effekt.
Als alternative Behandlungsmethoden stehen heute chirurgische Verfahren zur Verfügung, die in Abhängigkeit von der Operationsart und Technik zu einer nachhaltigen Gewichtsreduktion von 50 bis 90 Prozent des Übergewichtes führen. Entscheidend sind aber die Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Deshalb spricht man bereits von der Stoffwechselchirurgie – fachlich als metabolische Chirurgie bezeichnet. Insbesondere die Effekte auf den Diabetes sind überzeugend. Bei mehr als 80 Prozent der operierten Patient*innen verbessert sich schon wenige Tage nach der Operation der Diabetes deutlich und bildet sich teilweise auch vollständig zurück, sodass Insulin und/ oder medikamentöse Therapien entfallen können. Auch Herz-Kreislauferkrankungen werden positiv beeinflusst. Bei 60 bis 70 Prozent der operierten Patient*innen normalisiert sich der Bluthochdruck. Lebensbedrohliche Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall treten deutlich seltener auf.
Die chirurgische Therapie der Adipositas führt nachweislich zu einer erhöhten Lebenserwartung. Gleichzeitig werden Lebensqualität sowie psychische und physische Leistungsfähigkeit verbessert. Daraus resultieren positive Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit, die sportliche Aktivitäten und die Sexualität. Auf Grund dieser nachgewiesenen chirurgischen Therapieeffekte bildet die Adipositaschirurgie seit Jahren einen Schwerpunkt in der Ernst von Bergmann Gruppe.
Ernährungs- und Verhaltenstraining bei Adipositas
Die Grundvoraussetzungen für eine Operation ist der Nachweis, dass konservative Behandlungsmaßnahmen versagt haben. Dazu zählt ein Ernährungs- und Verhaltenstraining über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Diese Kurse müssen von speziell geschulten Ernährungsmedizinern bzw. Ökotrophologen oder Psychologen durchgeführt werden.
Unser Adipositas-Team bietet Ihnen in der Klinik Ernst von Bergmann Bad Belzig diese geforderten Spezialkurse unter kompetenter Leitung an. Nach Abschluss der Kurse erhalten Sie einen Nachweis und für die Antragstellung bei Ihrer Krankenkasse ein Zertifikat ausgestellt. Die erworbenen Kenntnisse haben gleichzeitig einen großen Stellenwert für die weitere Ernährung nach einer Operation. Nach Versagen der konservativen Therapie ist die chirurgische Therapie angezeigt.
Verfahren zur Therapie der Adipositas
Die derzeitig am häufigsten angewendeten Operationsverfahren sind die Magenbypass-Operation, der Schlauchmagen und die Mini-Bypass-Operation. Das Magenband hat heutzutage nur Nachteile gegenüber anderen modernen Verfahren und ist selten ratsam. Für extrem adipöse Patienten (BMI über 60kg/m²) sind die normalen Verfahren weniger effektiv, eventuell können andere spezielle Verfahren empfohlen werden (SADI-S und Duodenal Switch).
Welche Operationsverfahren bei den betroffenen Patienten zur Anwendung gelangen, wird von unserem Team diskutiert und mit den Patienten ausführlich besprochen.
Bei dem verstellbaren Magenband handelt es sich um ein sogenanntes restriktives Verfahren. Unmittelbar am Mageneingang wird mit Hilfe der laparoskopischen Technik (sogenannte Schlüssellochchirurgie) ein Silikonband angelegt. In diesem Band befindet sich, wie bei einem Fahrrad, ein Schlauch der über einen Port mit Flüssigkeit aufgefüllt wird. So gelingt es, die Nahrungszufuhr zu drosseln und ständig das Gewichtsverhalten zu steuern. Das Verfahren wird aktuell nur in Ausnahmefällen angewandt.
Für besonders schwere Patienten (z.B. BMI über 55Kg/m2), kommen andere effektive Methoden in Frage, die wir in unserem Adipositaszentrum anbieten können. Dazu gehören Duodenal Switch und das neue SADI-S (Single Anastomosis Duodeno-Ileal Bypass mit Sleeve Gastrectomy). Beide Verfahren erzielen einen sehr guten Gewichtsverlust, der vergleichbar ist mit den Standardverfahren (Magenbypass und Sleeve Resektion), die jedoch eine verringerte Nährstoffaufnahme, einen verlangsamten Stoffwechsel oder Eiweiß- und Vitaminmangel herbeiführen kann.
Beim Schlauchmagen oder fachlich ausgedrückt bei der Sleeve-Resektion wird der Magen ebenfalls in laparoskopischer Technik verkleinert. Ein Großteil des Magens wird entfernt. Im Allgemeinen hat der Magen ein Fassungsvermögen von mehr als 1000 ml. Nach der Operation verbleibt ein kleiner Schlauch, der fast die Form einer Banane hat und nur noch mit maximal 100 ml Flüssigkeit aufgefüllt werden kann. Das Sättigungsgefühl setzt schon nach der Aufnahme kleinster Nahrungsmengen ein. Damit verbunden ist eine schnelle Reduktion des Übergewichtes. Der Magenschlauch wird in unserer Klinik vorwiegend bei Patienten mit schweren Verwachsungen in der Bauchhöhle angewendet, da sich andere Verfahren technisch nicht durchführen lassen. Auch bei sehr adipösen Patienten, bei denen eine geplante Bypass-Operation wegen des extremen Fettes in der Bauchhöhle technisch schwierig und sehr riskant ist, erfolgt zunächst eine Schlauchmagenoperation. Nach entsprechender Gewichtsreduktion wird der Schlauchmagen zu einem Bypass umgewandelt.
Eine aktuelle Variante vom Magenbypass ist eine Operation, die in der aktuellen Literatur vergleichbare Ergebnisse bezüglich Gewichtverlust und Verbesserung der Begleiterkrankungen, besonders Typ 2-Diabetes, erzielt. Der MINI-Magenbypass ist ähnlich wie der Y-Roux Magenbypass, hier wird jedoch nur eine neue Darmverbindung (Anastomose) hergestellt (die sog. „Y-Komponente“ fehlt). Von Vorteil ist eine kürzere Operationsdauer und dass der MINI-Magenbypass technisch einfacher ist sowie möglicherweise mit weniger Komplikationen einhergeht. Potenzielle Nachteile sind das mögliche Auftreten von galligem Reflux und Vitaminmangel, besonders von Vitamin D. Der MINI-Bypass wird insbesondere für Patienten mit einem BMI über 50kg/m2 und einem Alter von über 50 Jahren empfohlen.
Bei der Magenbypass-Operation wird eine kleine Magen-Tasche gebildet, die als Pouch bezeichnet wird. Diese wird mit dem mittleren Teil des Dünndarmes verbunden. So werden der größte Teil des Magens, der komplette Zwölffingerdarm und der obere Dünndarm umgangen. Es können nur noch kleine Nahrungsmengen aufgenommen werden. Die Verdauung findet erst in tieferen Abschnitten des Dünndarmes statt und wird dadurch deutlich verzögert. Insbesondere fetthaltige Nahrung wird vermindert resorbiert. Die Fettwerte im Blut normalisieren sich. Das noch vorhandene Insulin wird wieder wirksam, sodass sich schon kurze Zeit nach der Operation die Blutzuckerwerte bessern. Über 80% der operierten Patienten benötigen nach wenigen Wochen keine Insulin-oder Tablettentherapie mehr.
Das Endo-Sleeve- oder APOLLO-Verfahren, auch als Magen-Sleeve ohne Operation bekannt, ist eine neuartige narbenfreie Behandlung zur Magenverkleinerung. Ein Endoskop wird durch den Mund in den Magen eingeführt. Mit speziellen Nähten wird die Magenwand vernäht und so das Magenvolumen reduziert.
Dieses Verfahren ist keine Operation sondern ein endoskopischer Eingriff (wie eine Magenspiegelung), die jedoch unter Vollnarkose in einem Operationssaal mit allen Sicherheitsmaßnahmen von einem Spezialisten durchgeführt wird.
Die Prozedur dauert meistens ca. eine Stunde. Der Patient kann sich dann zunächst mit flüssiger Kost direkt nach dem Verfahren ernähren. Insgesamt muss der Patient zwei Tage stationär im Krankenhaus bleiben. Danach wird durch eine begleitende Ernährungsberatung langsam die Nahrungsaufnahme aufgebaut.
Postoperative Betreuung und lebenslange Nachsorge
Nach einer bariatrischen Operation sind kurzfristige postoperative Kontrollen erforderlich und werden vom behandelnden Chirurgen in unserer Klinik durchgeführt. Um mögliche Anpassungsstörungen oder Ernährungsprobleme frühzeitig zu erfassen, ist eine lebenslange Nachsorge ein wichtiger Bestandteil der Adipositaschirurgie. Regelmäßige Nachuntersuchungen werden von unserem Team in Abstimmung mit den Hausärzten garantiert.
Plastische Korrekturoperationen
Nach der Gewichtsreduktion treten meist starke Faltenbildung an Bauch, Gesäß, Bein und Oberarmen auf. Hoch qualifizierte und erfahrene Chirurgen unseres Teams beraten Sie und führen die notwendigen Korrekturoperationen mit sehr guten Ergebnissen durch. Diese Operationen sind in das Gesamtkonzept der Adipositaschirurgie eingebettet. In der Regel erfolgt die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ca. zwei Jahre nach der Operation, wenn mit einer weiteren Gewichtsreduktion nicht mehr zu rechnen ist. Dafür ist das Team der Plastischen Chirurgie Ihr Ansprechpartner.