Nervenverletzungen

Nervenverletzungen unterschiedlichen Ausmaßes treten meist durch Unfälle oder seltener auch nach medizinischen Eingriffen auf. Hierbei können nur ein einzelner Nerv oder auch mehrere Nervenbündel (sogenannte Nervenplexus) geschädigt sein. Man unterscheidet dabei zwischen verschiedenen Schweregraden, wobei hier die mikroskopische Anatomie eines einzelnen Nerven eine wichtige Rolle spielt. Stellt man sich einen Nerven wie ein Stromkabel vor, so ist dieser wie folgt aufgebaut:

  • Kleine Nervenfasern, die sogenannten Axone, welche die Informationen in Form elektrischer Impulse leiten (der Kupferdraht im Stromkabel).
  • Die Myelinscheiden, welche die kleinen Nervenfasern umgeben und Isolierfunktion haben (wie in einem Lautsprecher-Kabel).
  • Die äußere Nervenhülle (Epineurium), welche dem Nerven seine Form gibt und schützt (das äußere Gummi des Stromkabels).

Oft liegt nach einem Anpralltrauma nur eine kurze Leitungsstörung am Nerven vor. Dies kann man sich ähnlich wie eine Gehirnerschütterung vorstellen, nur eben am Nerven (man nennt dies Neurapraxie). Jeder hat dies schon einmal erlebt, nachdem er/sie sich den Ellenbogen (Musikantenknochen) gestoßen hat und der äußere Unterarm und kleine Finger für einige Zeit taub ist und kribbelt. Dieser Zustand bildet sich ohne weitere Maßnahmen zurück.

Sind die Nervenfasern in Mitleidenschaft gezogen (der Fachmann spricht hier von Axonotmesis), so sterben diese ab der Verletzungsstelle unweigerlich ab und müssen jetzt neu auswachsen, welches mit einer Geschwindigkeit von etwa 1 mm pro Tag geschieht. Dies ist eigentlich beträchtlich schnell für eine solch kleine Struktur. Nervenfasern können aber sehr lang sein und somit müssen die neu wachsenden Nervenfasern abhängig von der Höhe der Verletzung bis zum Ziel (z.B. ein Muskel) teilweise relativ grosse Distanzen zurücklegen. Ein Beispiel: 30 cm Nervenabschnitt würde also ungefähr fast ein Jahr bis zur vollständigen Regeneration benötigen! Mit einer Operation kann man in der akute Phase leider nichts beschleunigen, aber man sollte die Zielmuskeln mit einer Elektrostrom-Therapie zwischenzeitlich in Übung halten. Manchmal sind im Verlauf lokale Narbenrevisionen im Nervengewebe hildreich.

Ist der Nerv komplett durchtrennt (Neurotmesis), so haben die Nervenfasern keine Leitstrukturen mehr, um ihren Weg beim Wiederauswachsen zu finden. Die Erfolgsaussichten können durch Wiederherstellung der Kontinuität also eine direkte Zusammennaht mittels einer End-zu-End- oder End-zu-Seit Anastomose oder einem Nerventransplantat verbessert werden.

Die Diagnostik von Nervenverletzungen umfasst elektrophysiologische Funktionsuntersuchungen mit Messung der Nervenströme (dies machen Neurologen mit Spezialausbildung) sowie bildgebende Verfahren wie der Nervenultraschall und die MRT-Bildgebung.